Chronik VI

Chronik (VI): Arbeiter und Arbeiterinnen mit prekärem Aufenthaltsstatus
Bild: Christian Januth.

Arbeiter und Arbeiterinnen mit prekärem Aufenthaltsstatus

Täglich berichten uns armutsbetroffene Menschen, wie sie und andere von der Corona-Krise getroffen werden und welche Bewältigungs-Strategien sie entwickeln. Auch engagierte MitbürgerInnen bringen ihre Erfahrungen ein, um jetzt und langfristig Verbesserungen zu bewirken. In dieser Wochenchronik sind Aussagen zu Themen, die sich dabei abzeichnen, zusammengestellt.

Was Arbeiter und Arbeiterinnen mit prekärem Aufenthaltsstatus erleben

“Die Wirtschaft des Kantons ist erschüttert, und die am stärksten gefährdeten Personen sind Sans- Papiers, von denen einige seit Jahren hier arbeiten. Insbesondere stundenweise bezahlte Hausangestellte und nicht deklarierte Raumpflegerinnen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosenversicherung oder öffentliche Sozialhilfe haben.”
(Übersetzt aus: Jacques Berset: “La pandémie du Covid-19 submerge les oeuvres d’entraide”, unter: https://www.cath.ch/newsf/la-pandemie-du-covid-19-submerge-les-oeuvres-dentraide/, konsultiert am 06.05.20)

“Ich komme ursprünglich aus Albanien und habe Anfang des Jahres meinen B-Ausweis erhalten. Ich bin getrennt und lebe mit meinen beiden kleinen Kindern zusammen. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt durch (registrierte) Hausarbeit in privaten Haushalten. Seit der Pandemie stellen mich meine Arbeitgeber nicht mehr ein, und ich bekomme kein Gehalt mehr. Ich hätte ohnehin aufhören müssen, da mein Sohn Lungenprobleme hat und ich dadurch kein Ansteckungsrisiko eingehen kann. Er ist stark gefährdet. Ich habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung, weil mein Ausweis zu neu ist und ich habe keinen Zugang zur Sozialhilfe; das Risiko, meinen Ausweis zu verlieren, wenn ich Sozialhilfe beantrage, ist zu gross.”
(Aus dem oben zitierten Artikel von Jacques Berset)

“Wir sollten an die Sans-Papiers denken, die ohne Arbeit und somit ohne Geld für ihre Familien in der Heimat dastehen. Oft stellen diese Menschen das einzige Einkommen für die Familien im Herkunftsland dar.”

In einem Quartier, in dem wir Strassenbibliotheken machen

Eine Mutter lebt mit ihren beiden Töchtern in einer Vierzimmerwohnung. Beide haben früher bei der Strassenbibliothek mitgemacht. «Sie können sich vorstellen, dass es zu Hause mit beiden Mädchen im Pubertätsalter nicht einfach ist. Sie sind jetzt oft zu Hause und sollten für die Schule arbeiten. Aber sie tun sehr wenig, und ich kann ihnen nicht helfen. Sie wollen meine Hilfe sowieso nicht! Also muss ich sie lassen, was sehr schwierig ist für mich. Ich bin froh, wenn alles wieder normal ist.”

«Es ist ein Scheissvirus, ich bin wieder depressiv geworden. Trotzdem bin ich immer noch jeden Tag mit den Kindern – beide sind im Schulalter – im Hof unten. Ich will nicht, dass sie alleine nach unten gehen. Die Polizei ist oft hier und kontrolliert, dass sich die Menschen nicht zu nahe kommen. Es gibt halt immer wieder Leute, die nicht daran denken. Letzte Woche hatten wir einen Wohnungsbrand in einem der Blöcke. Mitten in der Nacht trafen die Feuerwehrleute ein, viele Erwachsene und Kinder standen unten auf dem Hof. Ich bin froh, wenn Ihr im Sommer wieder hierher kommt, um Strassenbibliothek zu machen.”

«Ich habe fest Angst vor einer Ansteckung des Coronavirus für mich und meine Kinder. Wenn wir nach draussen gehen, dann auf eine andere Wiese im Quartier mit viel Platz. Bald fängt die Schule wieder an, aber ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Es gibt neun Menschen im Quartier, die mit dem Coronavirus infiziert sind. Auch jüngere Menschen sind betroffen.”

Mehr Informationen:
Alle bisherigen Chronik-Beiträge im Überblick
Sind auch Sie Zeuge oder erleben eine Situation, die Sie gerne teilen möchten? Dann schreiben Sie uns hier.