Ein essenzieller Beitrag

Ein essenzieller Beitrag

Die Schweizerische Eidgenossenschaft unterstützt ATD Vierte Welt, damit Menschen mit Erfahrungen in extremer Armut zusammen mit WissenschaftlerInnen und ExpertInnen an dem Projekt «Armut – Identität – Gesellschaft» (AIG) teilnehmen. Ihr Beitrag entsteht insbesondere im Rahmen der Volksuniversität Vierte Welt und wird durch das von der Bewegung geförderte Wissen-Kreuzen geteilt.

Die Volksuniversität Vierte Welt

Die Volksuniversität Vierte Welt ist ein besonderer Ort. Ein Ort, an dem Menschen, die in extremer Armut leben, ihre Erfahrungen miteinander teilen und voneinander lernen können. Ein Ort, an dem Menschen einander zuhören, in Würde und ohne zu urteilen. Ein Ort der Gleichheit und Freiheit, der den Austausch innerhalb der Gruppe und nach aussen fördert. Armut ist ein Tabu: Die Volksuniversität Vierte Welt hilft den Menschen, den Mut zu schöpfen, darüber zu sprechen und zu sagen, warum Armut nicht einfach hingenommen werden darf.

Um die Beziehungen zwischen der Gesellschaft, den Institutionen und den in Armut lebenden Menschen besser zu verstehen, arbeiten die ATD-AktivistInnen seit 2019 an drei Themen:

  • Wie erlebt ein in Armut lebender Mensch die Kontrolle und Macht von Institutionen und Behörden und ihre Abhängigkeit von ihnen?
  • Was braucht ein von Armut betroffener Mensch, um er/sie selbst sein zu können und von den Institutionen und der Gesellschaft als solche/r anerkannt zu werden?
  • Wie nehmen Personen, die in extremer Armut leben, ihre eigene Identität wahr? Und wie wollen sie von anderen wahrgenommen werden?

Das Wissen-Kreuzen

Diese Arbeit wurde im Rahmen von Treffen des sogenannten Wissen-Kreuzens mit WissenschaftlerInnen – SoziologInnen, HistorikerInnen, JuristInnen usw. – sowie Fachkräften aus dem Sozialdienst, dem Gesundheitswesen, der Justiz usw. fortgesetzt. Ihr theoretisches und praktisches Wissen wurde mit dem Erfahrungswissen von Menschen in extremer Armut zusammengeführt. Zwei Schlüsselfragen bildeten den Hintergrund für den Austausch dieser drei Arten von Wissen:

  • Wie können Menschen mit Armutserfahrungen als vollwertige Akteure in ihrem täglichen Kampf und insbesondere im Kontakt mit Institutionen anerkannt und unterstützt werden?
  • Wo liegen die Spannungsfelder zwischen den von Armut Betroffenen einerseits und den Institutionen, Fachleuten usw. andererseits – und was sind die Ursachen dafür?

Ein essenzieller Beitrag

Der langjährige Aktivist Alain Meylan beschreibt den Ansatz des Wissen-Kreuzens als Brücke: um sie zu bauen, müssen verschiedene Berufe zusammenarbeiten. Für die Beseitigung extremer Armut gilt das Gleiche: der Beitrag derjenigen, die sie erlebt haben, ist unverzichtbar, ebenso wie der der WissenschaftlerInnen und Fachkräfte. Er fügt hinzu, dass das Wissen-Kreuzen ein Instrument zur Bekämpfung von Ausgrenzung und Schamgefühlen sowie zur Stärkung von Würde und Anerkennung ist. Sie ist ein Mittel zur Sensibilisierung der öffentlichen Meinung und der Politik, ein Hebel für den Fortschritt der Gesellschaft.

Perry Proellochs
Übersetzung von Laura Zettl