Wissenswerkstatt 2020

Wissenswerkstatt 2020 – Wo liegen die Wurzeln des Problems?

Wo liegen die Wurzeln des Problems?

Stefanie Arpagaus, Praktikantin der Sozialen Arbeit bei ATD Vierte Welt, über ihre Eindrücke an der Wissenswerkstatt 2020

Am 20. und 21. November fand die zweite Wissenswerkstatt im Rahmen des Forschungsprojekts «Armut-Identität-Gesellschaft» statt. Gerne hätten wir uns wieder im Nationalen Zentrum in Treyvaux getroffen, leider machte uns jedoch COVID-19 einen Strich durch die Rechnung, weshalb die 38 TeilnehmerInnen per Videokonferenz zusammenkamen.

Die Wissenswerkstatt ist ein wichtiges Element meines Praktikums und ich hatte mich schon lange auf diesen Tag gefreut. Für mich, als Studierende der Sozialen Arbeit, war es sehr spannend, die unterschiedlichen Wissenshintergründe zu hören. An der Fachhochschule wurde beispielsweise das Thema Macht sowie das Konzept von Hilfe und Kontrolle bereits oft thematisiert und mit Praxisbeispielen unterstrichen. Trotzdem wurde mein Blickwinkel weiter geöffnet, da ich direkt von Personen mit Armutserfahrung hörte, wie sich diese Konzepte auf sie auswirken. Dies hat mich zur Reflexion meines Handelns weiter angeregt. Es zeigte mir auch auf, wie wichtig es ist, Personen einzubeziehen, welche von möglichen Konsequenzen betroffen sind. Eine wichtige Regel der Wissenswerkstatt ist das Zuhören und der Wille, andere Meinungen zu verstehen zu versuchen. Diesen Regeln könnte auch im (Berufs-)Alltag mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, denn während der Wissenswerkstatt hatte ich manchmal das Gefühl, ich wisse wovon die Person spricht, um dann festzustellen, dass ich sie doch nicht verstanden hatte. Ich bin sehr gespannt, wie sich das Forschungsprojekt weiterentwickeln wird und freue mich auf weitere bereichernde Momente.


Start mit Arbeiten in Peer-Gruppen

Am Freitagabend haben sich die Peer-Gruppen Forschung und Praxis online getroffen und sich zu den beiden Spannungsfeldern «Machtposition & Handlungsmacht» sowie «Unterschiedliche & widersprüchliche Logiken» ausgetauscht. Danach teilte sich die Gruppe auf und es wurde je ein Spannungsfeld vertieft, mit welchem sie sich auch am Samstag weiter auseinandersetzten. Dieser Austausch wurde von der Peer-Gruppe mit Armutserfahrung bereits vorab durchgeführt. Ich durfte beim Austausch der Peer-Gruppe aus der Forschung am Freitagabend dabei sein. Bereits unter den Personen der Forschung entstand eine Wissenskreuzung, da die Teilnehmenden aus unterschiedlichen Disziplinen kamen. Einige hatten einen sozialanthropologischen, andere einen juristischen oder historischen Wissenshintergrund.


Verschiedene Arten von Wissen kommen zusammen

Am Samstagmorgen gab es eine kurze Begrüssung im Plenum. Alle 38 TeilnehmerInnen aller Peer-Gruppen trafen sich in einer grossen Videokonferenz – was für ein Bild! Die Technik erlaubte sogar das Dolmetschen der beiden Landessprachen Deutsch und Französisch. Zum Einstieg wurde erklärt, was seit der Wissenswerkstatt vor einem Jahr alles passiert ist. Die Begleitgruppe der Forschung hat sich zwei Mal getroffen und das Thema für die diesjährige Wissenswerkstatt ausgearbeitet. Im Sommer hat eine (ebenfalls virtuelle) Volksuniversität mit 40 Personen mit Armutserfahrung stattgefunden und die Peer-Gruppen mit Armutserfahrung haben sich mehrere Male zur Vorbereitung getroffen. Nach der Begrüssung wurde in Kleingruppen, bestehend aus je 3-4 TeilnehmerInnen aus den drei Peer-Gruppen Forschung, Praxiswissen und Erfahrungswissen, weitergearbeitet. Dabei wurde je eines der Spannungsfelder weiter vertieft und die unterschiedlichen Wissenshintergründe gekreuzt. Zu Beginn stellte jede Peer-Gruppe die zentralen Punkte vor, welche sich bei ihren vorangehenden Diskussionen herauskristallisiert hatten. Danach zogen sich die Peer-Gruppen zurück und überlegten, welche Elemente für sie neu waren oder sie besonders zum Nachdenken angeregt hatten. Anschliessend tauschten sich alle TeilnehmerInnen der Kleingruppe darüber aus, was sie besonders spannend fanden. Am Nachmittag wurden die Überlegungen strukturiert. Anhand eines Baumes wurde versucht, visuell aufzuzeigen, wo die Wurzeln des Problems liegen und was für Auswüchse daraus entstehen.

Den Austausch in den (Berufs-) Alltag mitnehmen

Diese beiden Tage waren bewusst (noch) nicht einer Lösungsfindung gewidmet, da es wichtig ist, dem Problem zuerst genau auf den Grund zu gehen, bevor vorschnelle Lösungen vorgeschlagen oder ergriffen werden. Die Wissenswerkstatt am 21. November hat uns die Vielschichtigkeit der Problemlage aufgezeigt, da sich die Personen mit den unterschiedlichen Wissenshintergründen zugehört haben und sich die Zeit genommen haben, auch die anderen Positionen zu verstehen. Es wäre schön, wenn die TeilnehmerInnen der Wissenswerkstatt gewisse neuen Informationen in ihren (Berufs-)Alltag integrieren und so auch über das Jahr dem Forschungsprojekt «Armut-Identität-Gesellschaft» verbunden bleiben könnten.